Sehen, riechen und fühlen mit 360°-Videostreaming

Hologramme, 360°-Videos und Virtual Reality: Werden wir mit diesen Technologien bald fernsehen, kommunizieren oder virtuelle Abenteuer erleben, die kaum noch von der „realen“ Welt unterscheidbar sind? Was davon wird uns schon bald im Alltag begegnen? KOM-Wissenschaftler Christian Koch hat bei seinem Besuch auf der ACM Multimedia Systems (MMSys) in Amsterdam Antworten auf diese Fragen gesucht – und gefunden.

Christian, wie sieht Deiner Meinung nach die Zukunft von Virtual Reality aus?

Das ist schwer vorherzusagen, aber ich gehe davon aus, dass 360°-Videostreaming eine wichtige Rolle spielen wird. Im Vergleich zu 2D-Videos können durch 360°-Videos Ereignisse sehr authentisch nacherlebt werden: Spektakuläres wie ein Raketenstart, Unterwasserwelten oder ein Spaziergang durch fremde Städte. Du bist mitten im Geschehen. Besonders interessant ist das für Musikkonzerte oder Fußballspiele: Man kann sich mit Hilfe mehrerer Kameras an fast jeden Ort des Spielfeldes oder der Konzerthalle teleportieren. Somit kann man seinen Stars, zumindest virtuell, noch näherkommen als vor Ort.

Virtuell heißt für mich auch meistens, dass ich es mit dem Auge erleben kann. Wie ist das mit Gerüchen oder Berührungen? Damit käme man dem „echten“ Erlebnis ja schon sehr nahe.

Wie realistisch Gerüche und Berührungen in dieser virtuellen Umgebung simuliert werden können, ist unklar, da die Forschung hier noch in den Kinderschuhen steckt. Eine echte Umarmung oder einen Händedruck kann man derzeit noch nicht nachbilden, allerdings gibt es erste Ideen in Richtung eines Anzugs, der das entsprechende Druckempfinden nachahmt. Ich habe auf der MMSys einige Arbeiten gesehen, die versuchen, sich auf den sozialen Aspekt der Technologie zu konzentrieren. Um auf die Frage zurückzukommen: Ich glaube, dass in virtuellen Welten auch „echte“ zwischenmenschliche Interaktionen stattfinden, aber anders.

Ist das nur Spielerei oder gibt es auch Anwendungen mit einem ernsthaften Zweck?
Gerade für Menschen mit physischen Einschränkungen erlaubt Virtual Reality eine aktivere Teilnahme am sozialen Alltagsgeschehen. Ein Beispiel ist eine Projektion eines anderen Menschen in die eigene Umgebung. Das ist bereits viel natürlicher als Videotelefonie und hat den Vorteil, dass man nicht als künstlicher Avatar, sondern mit seiner physischen Erscheinung in die virtuelle Welt integriert wird.

Welchen Herausforderungen stellt sich Deine Forschung in diesem Bereich?

Unsere Arbeit interessiert sich für Verteilmechanismen, die Videodaten möglichst effizient verteilen. Derzeit nutzen alle großen Video-Plattformen wie YouTube und Netflix, aber auch Soziale Netzwerke sogenannte Caches, um Inhalte nah an den Nutzern zwischenzuspeichern. Dadurch müssen Inhalte nicht immer quer über den Planeten übertragen werden, sondern können lokal beim Nutzer, z.B. von Frankfurt aus übertragen werden. Das macht allerdings nur für populäre Inhalte Sinn, da der verfügbare Speicherplatz beschränkt ist. Genau hier setzt unser System an. Im Prinzip lassen wir Inhalte verschiedener Kategorien kontinuierlich um den verfügbaren Speicher konkurrieren. Dabei berücksichtigen wir die Popularität der einzelnen Inhaltskategorien, wie z.B. Musik, Nachrichten oder Comedy. Damit können wir dynamische Kategorien konstruieren, um zu entscheiden, welche Inhalte innerhalb des Netzwerks gespeichert werden sollen. Das ist neu, denn traditionell werden diese Unterschiede nicht berücksichtigt. Unser Paper zum Thema wurde für die gute Wiederverwendbarkeit und Veröffentlichung unserer Software von der ACM-Community mit einem Preis ausgezeichnet. Die Software heißt übrigens wie die bekannte Hardrock-Band ACDC und man kann sie hier herunterladen. Wir hoffen, dass sie anderen Forschern ihre Arbeit erleichtert und von ihnen weiterentwickelt wird.

Was erwartet uns in den nächsten Jahren? Wird die Virtual-Reality-Brille das neue Smartphone und quasi zur technischen Grundausstattung gehören?

Ich gehe davon aus, dass Virtual-Reality-Headsets wie wir sie heute kennen wesentlich leichter, kabellos und hochauflösender und damit auch beliebter werden. Gerade Kindern erlaubt Virtual Reality, beim Spielen ihrem Bewegungsdrang nachzukommen und Spiele wesentlich intensiver zu erleben als auf einem flachen Bildschirm. Aber nicht nur als Unterhaltungsmedium, sondern auch in der Industrie ist Virtual Reality ein Thema, z.B. beim technischen Design von Bauteilen oder Karosserien. So kann man ein Auto schon relativ realitätsnah testen, noch bevor es tatsächlich gebaut wird.