„Mich begeistert die Freiheit der Forschung und die Möglichkeit, etwas zu bewirken.“

Kálmán Graffi hat 2006 sein Diplom an der TU Darmstadt in den Fächern Informatik und Mathematik absolviert. Anschließend war er von 2006 bis 2010 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fachgebiet Multimedia Kommunikation. 2010 promovierte er erfolgreich zum Thema „Monitoring and Management of Peer-to-PeervSystems“. Mittlerweile forscht und lehrt er als Junior-Professor an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und ist Leiter der Arbeitsgruppe „Technik sozialer Netzwerke“.

Viele gehen nach der Dissertation in die Praxis, Du bist in der Wissenschaft geblieben, nachdem Du 2010 bei KOM promoviert hast? Warum?

Weil mich die Universität und die wissenschaftliche Arbeit interessiert. Mich begeistert die Freiheit der Forschung und die Möglichkeit, etwas zu bewirken. Gerade in der Informatik ist es möglich, Lösungen zu schaffen, die dann von einer großen Anzahl von Nutzern aufgriffen werden können. In der heutigen Zeit mit der stark verbreiteten Überwachung ist das eine Freiheit, die wir schätzen können. „Wir können neue Lösungen für die sichere, nicht überwachbare und nutzerfreundliche Kommunikation im Internet erforschen und liefern, ohne Budgetprobleme oder Einschränkungen zu fürchten. Diese Chancen sollten wir nutzen.“

Während meiner Promotion hatte ich zwei Kernthemen, die ich mit großem Interesse verfolgte: zum einen die eigentlichen Inhalte zur Vermessung und Regelung von Peer-to-Peer-Systemen, zu dem ich später auch promovierte, als auch den Anwendungsfall von sicheren sozialen Netzwerken auf Peer-to-Peer-Basis. Obwohl dieser zweite Aspekt in meiner Dissertation nur einen sehr kleinen Teil ausgemacht hat, war mein Interesse an dem Thema und mein Einsatz dafür sehr groß.

Als dann circa einem Jahr nach meiner Promotion dann eine Juniorprofessur für die „Technik sozialer Netzwerke“ an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf ausgeschrieben wurde, hat das sehr gut gepasst.

Was würdest Du rückwirkend jungen Akademikern raten, die gerade Ihre Dissertation starten und überlegen, ob das der richtige Weg ist?

Die Promotionszeit ist eine Lebensphase, in der man viel lernen kann, nicht nur auf fachlicher Ebene. Rückwirkend betrachtet war es eine sehr intensive Zeit, die mir viele Möglichkeiten bot. Man lernt sich selbstständig in ein Thema einzuarbeiten und in einem kleinen Gebiet der Forschung weltweit Einmaliges zu leisten. Neben den Forschungsmethoden und fachlichen Inhalten, lernt man auch viel über Selbstmanagement und bekommt, zumindest bei KOM, die gute Gelegenheit in ganz unterschiedlichen Bereichen zu arbeiten. So lernt man alle Arten von Projektförderungen kennen, ob DFG oder EU, BMBF oder Stipendien-basiert. Man kann sich mit dem Management von Studenten(gruppen) und Projekten vertraut machen. Nicht zu unterschätzen ist auch der persönliche Austausch im netten Team und die Möglichkeit die Welt zu bereisen, sofern man gut publiziert.

Wenn man diese Möglichkeiten nutzt und ihnen offen gegenübersteht kann man nur profitieren. Mir persönlich hat diese Fülle von Möglichkeiten sehr gefallen. Auch wenn man manchmal verleitet war zu viel gleichzeitig zu machen, bietet es einem doch die Möglichkeit, seine eigenen Stärken besser zu identifizieren.

„Zum Ende meiner Promotion habe ich das selbstständige Forschen erlernt, Einblicke in die Durchführung und Beantragung von Forschungsprojekten bei verschiedenen Projektträgern kennen gelernt, ca. 30 studentische Abschlussarbeiten betreut und etliche studentische Gruppen betreut, die Vorlesungsvorbereitung und -präsentation kennengelernt, Messeauftritte vorbereitet und durchgeführt, Pressearbeit kennengelernt, etliche Reviews geschrieben, viel publiziert und die Erde einmal ostwärts und einmal westwärts umrundet (im Dienste der Wissenschaft), mein Englisch aufgebessert und vor allem gute Freunde gefunden.“

Was hältst Du im Bereich Netzwerktechnologie für das entscheidende Zukunftsthema in den kommenden Jahren?

Zum einen gibt es die technischen Fragestellungen und Entwicklungen. Hier wachsen die Themen, die auch bei KOM erforscht werden, zusammen. Das Internet der Dinge wird durch die große Anzahl von vernetzten Geräten immer realer. Zum Beispiel durch die vielen Devices im Bereich Smart Home, Car Communications, Sensoren, Mini-Drohnen und vor allem durch die vielen Smart Devices, die es schon für wenig Geld gibt.

Zum anderen werden die Konzepte der Selbstorganisation, die in der Peer-to-Peer-Forschung gefunden wurden, im Rahmen der Software-defined Networks wiederbelebt. Die große Anzahl der sich nun vernetzbaren Geräte können unterschiedlich angegangen werden. Big Data ist ein Ansatz, die Fülle der Daten zu interpretieren. Die technische Entwicklung ist spannend.

Aber ebenso spannend ist die politische Entwicklung und Wahrnehmung der Technologien. Gerade die Veröffentlichungen rund um Snowden zeigen, dass eine Überwachung politisch jederzeit gewollt ist und zum Teil auch stattfindet. Ich erwarte einen Forschungstrend zu stärker optimierten, zentralisierten Lösungen: Die Auswertung großer Datenmengen, die Zusammenführung verschiedener Datenquellen und die leichtere Steuerung von Verkehrsflüssen im Internet.

Es wird aber auch eine Forschungscommunity geben, für die die Sicherheit und Dezentralität eine wichtige Rolle spielt.

Du warst einige Jahre bei KOM – was ist Dir besonders im Gedächtnis geblieben?

KOM ist sehr gut organisiert, mischt auf sehr vielen Ebenen in vielen Bereichen mit. In der akademischen Welt ist das sehr wertvoll, da man als Doktorand verschiedene Arbeitsbereiche und Arbeitsprozesse kennenlernen kann und wird. Diese Einblicke in die verschiedenen Prozesse empfinde ich als sehr bereichernd. Man muss aber auch darauf achten, dass man sich genug Zeit für die Forschung nimmt.

Die verschiedenen Forschungsgruppen tragen dazu bei, weitere Forschungsfelder kennenzulernen und über den Tellerrand zu blicken. So war ich zwar in der Peer-to-Peer-Gruppe, mein Austausch mit der Gruppe für Service-Oriented Computing führte aber dazu dass ich mich später im SFB 901 in Paderborn, die z.T. diese zwei Felder miteinander verbindet, gut einbringen konnte.

Ferner hat Ralf Steinmetz ein sehr gutes Netzwerk, auch heute noch trete ich noch mit weiteren Wissenschaftlern in Kontakt, die ich während meiner Zeit bei KOM kennengelernt habe. Natürlich waren die Tage im Kleinwalsertal auch besonders, die ich so später leider nicht mehr erfahren habe. Das gemeinsame Wandern vermisse ich immer noch. Schön ist es aber dann, die früheren Kollegen bei Alumni- oder Dissertationsfeiern wiederzusehen.

Wo geht es in Zukunft hin? Willst Du weiter in der Forschung tätig sein?

Dieses Jahr war für mich sehr erfolgreich, meine Arbeitsgruppe ist enorm gewachsen und wir haben interessante Themen auf dem Radar. Besonders gefreut hat mich die Aufnahme in die Arabisch-Deutsche Junge Akademie der Wissenschaften und der Academics.de-Preis für den Nachwuchswissenschaftler des Jahres 2014. Die nächsten Jahre bleibe ich der Wissenschaft treu.