Forschung zum neuen Mobilfunkstandard 5G bei KOM

Wie Experimente mit unserem 5G-Testbed künftig für eine bessere Mobilfunkverbindung sorgen. Neun Antworten zum neuen Mobilfunkstandard 5G und zu unserer 5G-Forschung im KOM-Lab an der TU Darmstadt.

Wozu braucht man den neuen Mobilfunkstandard 5G?

Die Welt der Dinge wird immer vernetzter – und mobiler: Autonom fahrende Autos kommunizieren an einer Straßenkreuzung, intelligente Maschinen bewegen sich selbstständig durch eine Fabrik. Hier kommt der neue Mobilfunkstandard 5G ins Spiel. Geringe Latenzzeiten und hohe Bandbreiten ermöglichen mobilen Datenverkehr quasi in Echtzeit.

Dieses Potenzial von 5G kann besonders in lokalen Kontexten voll ausgeschöpft werden: an der Straßenkreuzung, wo intelligente Ampeln und autonome Fahrzeuge in Echtzeit kommunizieren, in der Fabrik, wo sich die Arbeitsschritte frei bewegender Roboter perfekt miteinander verzahnen, oder auf dem Acker, wo Sensoren dafür sorgen, dass die Landmaschinen Dünger, Wasser und Saatgut perfekt mit dem Nährstoffgehalt im Boden abstimmen.

Was unterscheidet 5G von 4G („LTE-A“)?

Eine Verbindung über den neuen Mobilfunkstandard 5G ermöglicht kürzere Latenzzeiten, überträgt größere Datenmengen, und ist außerdem sicherer und zuverlässiger als die herkömmliche 4G-Verbindung.

Außerdem kann das Kernnetz von 5G weitgehend virtualisiert werden. Dies ermöglicht, verschiedene virtuelle Netze in einem physischen Netz zu realisieren und an spezielle Anwendungsbedürfnisse anzupassen. Denn manche Fabriken brauchen hohe Datenübertragungsraten, für manche ist eine niedrige Latenz wichtiger, und für wieder andere spielt die Sicherheit vor Ausfällen die größte Rolle – zum Beispiel beim Autonomen Fahren. Die 5G-Technologie bietet hier eine sehr flexible Grundlage, um neue Anwendungsfälle leichter zu realisieren.

Was ist ein 5G-Netzwerk?

Die Bezeichnung „5G“ beschreibt die 5. Generation des Mobilfunks nach den Standards der internationalen Organisation 3GPP (3rd Generation Partnership Project). Diese legt Rahmenbedingungen fest, wie die Architektur eines Mobilfunknetzwerks mindestens aufgebaut sein muss, um den Anforderungen von GSM (2G), UMTS (3G), LTE-A (4G) – und nun eben 5G – zu genügen.

Technologisch gesehen überträgt 5G Daten zum einen in demselben Frequenzbereich wie 3G und 4G, und zwar zwischen 700 Megahertz und 2,6 Gigahertz. Darüber hinaus können 5G-Netzwerke jedoch auch kürzere Wellenlängen in einem neuen Frequenzbereich bis 6 Gigahertz nutzen. Mittelfristig können sogar Frequenzen bis zu 50 Gigahertz verwendet werden, die sogenannte 5G mmWave-Technologie.

Höhere Frequenzen und somit kürzere Funkwellen haben jedoch eine kürzere Reichweite. Um beispielsweise in einem Keller oder in einem Wald 5G-Abdeckung zu erreichen, eignen sich tendenziell niedrigere Frequenzen deutlich besser. Um die hohen 5G-Frequenzen im mmWave-Bereich und somit hohen Bandbreiten nutzen zu können, müssen sehr viele neue Basisstationen mit Antennen installiert werden.

Es gibt zwei Wege, eine 5G-Verbindung herzustellen:

  • 5G Standalone (SA): Hier ist die komplette Technologie (Basisstation mit Antennen, Kernnetz, Server) auf 5G ausgelegt.
  • 5G Non-Standalone (NSA): In vielen Städten und auf manchen Smartphones ist 5G bereits verfügbar. Allerdings handelt es sich dabei um eine 5G-Non-Standalone-Lösung. Dieser Zwischenschritt hin zu flächendeckendem Standalone-5G beschreibt die Möglichkeit, das existierende 4G-Kernnetz zusammen mit einer 5G-Basisstation zu nutzen. Die Datenübertragung ist langsamer als bei der Standalone-Lösung. Außerdem frisst die Verbindung besonders viel Akku, weil sie sowohl über 4G als auch über 5G hergestellt werden muss.
Bei einer Non-Standalone-Verbindung wird 5G über ein 4G-Kernnetz hergestellt, während bei der Standalone-Verbindung die komplette Technologie auf 5G basiert.
Bei einer Non-Standalone-Verbindung wird 5G über ein 4G-Kernnetz hergestellt, während bei der Standalone-Verbindung die komplette Technologie auf 5G basiert. Bei KOM wird vor allem am 5G-Kernnetz („Core“) geforscht. Montage: Alisha Hirsch

Was ist ein 5G-Campusnetz?

Ein Campusnetz ist ein maßgeschneidertes, privates 5G-Mobilfunknetz. Dieses kann an das Internet angeschlossen sein, muss aber nicht. Besonders interessant sind Campusnetze für Firmen oder Forschungsgebäude. Das Schlüsselwort ist hierbei „maßgeschneidert“. Denn eine Fabrik hat andere Anforderungen an Sicherheit, Geschwindigkeit und Datenrate als ein autonom fahrendes Auto oder ein Landwirt, der mithilfe von Sensoren Dünger und Pflanzenschutzmittel zielgenau einsetzt. Diese Flexibilität ist ein weiteres wichtiges Merkmal des neuen Mobilfunkstandards 5G.

Besonders sicher, schnell und zuverlässig ist ein Campusnetz, dessen Bestandteile (Basisstation mit Antennen, 5G-Kernnetz und Server) sich komplett auf dem Gelände der betreibenden Firma oder Universität befinden. Ein solches Campusnetz nutzen wir auch bei KOM für unsere 5G-Forschung.

Warum nutzen wir für die 5G-Forschung bei KOM die Standalone-Technologie?

In unserer 5G-Forschung sind wir daran interessiert, welche Auswirkungen für die Datenverbindung es hat, wenn eine einzelne Komponente im Kernnetz (mit den zwei Ebenen Control und Data/User Plane) verändert wird. Um die Datenverbindung Ende-zu-Ende vom Smartphone bis zum Internet testen zu können, haben wir bei KOM ein komplettes 5G-Standalone-Testbed mit Basisstation, Kernnetz und Servern aufgebaut.

Das Kernnetz des 5G-Testbeds im KOM-Lab an der TU Darmstadt besteht aus verschiedenen Komponenten auf der Control Plane und der Data/User Plane.
Für unsere Forschung haben wir einzelne Komponenten im 5G-Kernnetz mit den zwei Ebenen Control- und Data-/User-Plane verändert und dann getestet, wie sich das Verhalten der Internetverbindung verändert hat. Montage: Alisha Hirsch

Wie ist das 5G-Testbed bei KOM aufgebaut?

Der 20. November 2020 war für uns ein besonderer Tag. Im KOM-Lab stellten wir eine der deutschlandweit ersten Verbindungen mit dem Internet über eine 5G-Standalone-Verbindung mit einem Open-Source-Kernnetz her. Die Architektur des Testbeds haben wir speziell für unsere Bedürfnisse als Forschungsinstitution gebaut.

KOM-Forscher Ralf Kundel betrachtet die Basisstation des 5G-Standalone-Testbeds an der TU Darmstadt für die 5G-Forschung
In der Basisstation unseres 5G-Testbeds ist eine Antenne eingebaut. Foto: Christine Wachter

Hierzu hat der Sonderforschungsbereich MAKI eine 5G-Standalone-fähige Basisstation („Radio Access Network“) angeschafft, an welche wir über einen Switch zwei Server angeschlossen haben. Auf diese beiden Server haben wir das 5G-Kernnetz unseres Testbeds mithilfe von Open-Source-Software realisiert.

KOM-Forscher Ralf Kundel zeigt die Server, auf denen das Kernnetz für die 5G-Forschung an der TU Darmstadt realisiert ist
KOM-Forscher Ralf Kundel zeigt die zwei Server, auf denen das Open-Source-basierte Kernnetz unseres 5G-Testbeds realisiert ist. Foto: Christine Wachter

Grob beschrieben stellt Server #1 sicher, dass das Test-Smartphone eine Verbindung zum Telefondienst herstellen kann. Server #2 stellt die Verbindung zum Daten-Netzwerk her, in unserem Fall ist dies das Internet. Auf beiden Servern sind hierzu diverse Funktionen programmiert.

Wer die technischen Details wissen möchte, kann dies nachlesen im Paper „User Plane Hardware Acceleration in Access Networks: Experiences in Offloading Network Functions in Real 5G Deployments“ von Ralf Kundel, Tobias Meuser, Timo Koppe, Rhaban Hark und Ralf Steinmetz.

In einer zweiten Phase haben wir im Dezember 2021 ein Open-RAN-Funknetzwerk angeschafft und aufgebaut. Die O-RAN-Technologie ermöglicht, dass Komponenten verschiedener Technologie-Lieferanten zusammen funktionieren und bietet neben Vorteilen in der Forschung auch eine vielversprechende Erweiterung im flächendeckenden Netzausbau.

KOM-Wissenschaftler:innen haben erforscht, wie man eine schnellere und bessere 5G-Datenverbindung herstellen kann. Was haben sie herausgefunden?

Mithilfe des 5G-Standalone-Testbeds haben die KOM’ler diverse Möglichkeiten getestet, die Latenzzeit zu verringern sowie Leistung und Flexibilität der 5G-Datenverbindung zu erhöhen. Hierzu haben sie einzelne Komponenten in der Architektur des Kernnetzes verändert und jeweils den Datendurchsatz sowie die Zeit gemessen, die ein Datenpaket benötigt hat, um vom Smartphone zum Internet zu gelangen.

Das Ergebnis: Mithilfe von Software-Komponenten, die auf einem Linux-System programmiert werden können, gelang es am besten, das Netz flexibel auf spezielle Bedürfnisse anzupassen. Spezialisierte, Software-definierte Hardware-Komponenten eigneten sich hingegen, um die Leistung im Netz zu erhöhen und die Latenzzeit zu verringern. Das beste Ergebnis wurde dabei mit einem Switch erzielt, der mithilfe der Programmiersprache P4 programmiert wurden.

Wie funktioniert „Software-defined Networking (SDN)“ bzw. „Network Softwarization“, die wir angewendet haben, um das 5G-Kernnetz zu verbessern?

Network Softwarization beschreibt generell die Möglichkeit, das Verhalten von Netzwerkkomponenten durch “Software Updates” zu verändern. Also vergleichbar mit einem Smartphone, welches durch die Installation neuer Apps neue Funktionen erhält.

Beim Software-defined Networking (SDN) sind die zwei Ebenen Control Plane und Data/User Plane voneinander entkoppelt. Wenn man so will, beschreibt die Data Plane den Verkehr, während die Control Plane die Verkehrsregeln vorgibt.

Wozu wird das 5G-Standalone-Testbed bei KOM zukünftig genutzt?

Viele weitere Forschungsfragen zu 5G sind bisher unbeantwortet. Zum Beispiel wollen wir herausfinden, wie das Kernnetz möglichst gut vor Ausfällen geschützt werden kann. Die Möglichkeit, einzelne Komponenten austauschen zu können, bietet eine ideale Grundlage für weitere Forschungsarbeiten.

Beitragsbild: Christine Wachter