Treppenrede von Björn Richerzhagen zu 5G und 6G: “Technologie auf Sinnsuche”

Ein Geodreieck und ein Lineal hat KOM-Alumnus Björn Richerzhagen mit zum Frühlingsfest der Freunde der TU Darmstadt Ende Mai im Garten des Georg-Lichtenberg-Hauses gebracht. Damit erklärt der jetzige Researcher bei Siemens Technology in einer Treppenrede, wo die Entwicklung der Mobilfunkgenerationen 5G und 6G aktuell steht und was wir von 6G erwarten dürfen.

Die drei Ausprägungen der Mobilfunkgeneration 5G

Analog zu den drei Ecken seines Geodreiecks zeichnen Björn Richerzhagen zufolge drei Ausprägungen den 5G-Mobilfunkstandard aus: Unter “Enhanced Mobile Broadband” versteht man einen verbesserten mobilen Datenzugriff, mit dem aktuell vor allem der Markt der Smartphone-Nutzer adressiert wird. “Ultra-reliable Low Latency” bedeutet, dass Menschen und Maschinen sehr schnell und vor allem extrem zuverlässig miteinander kommunizieren können, und “Massive Machine Type Communication” (mMTC) soll die Vernetzung von Dingen untereinander ermöglichen (Schlagwort “Internet of Things”).

Lag der Fokus in der Entwicklung von 5G anfänglich vor allem auf “Enhanced Mobile Broadband”, wird sich den übrigen Aspekten aktuell immer mehr angenähert. “5G ist jetzt nicht fertig”, betont Björn Richerzhagen. Vielmehr werden Mobilfunkstandards in Releases – also in Iterationen – verfeinert und weiterentwickelt. Etwa alle anderthalb Jahre kommt ein neues Release heraus, das dann standardisiert ist und in Produkten, zum Beispiel Smartphones, umgesetzt werden kann. Zwischen der Fertigstellung eines Standards und der Verfügbarkeit der entsprechenden Produkte vergeht dann gerne ein Jahr oder mehr.

Standardisierung von 6G: Nun stehen Werte im Fokus

“Jetzt sind wir mal ganz ehrlich: Mit 5G auf dem Smartphone YouTube-Videos gucken klappt schon ganz gut”, erläutert Björn Richerzhagen. Im Standardisierungsprozess von 6G gehe es nun nicht mehr nur darum, schneller zu werden, mehr Geräte zu versorgen und mehr Datendurchsatz zu haben — so wie schon bei 5G. Stattdessen soll die nachfolgende Mobilfunkgeneration über reine Performanz-Zahlen hinausgehen und auf Werte ausgerichtet werden.

Wie der Titel der Treppenrede, “Technologie auf Sinnsuche”, schon andeutet, ist die Wissenschaftsgemeinschaft momentan damit beschäftigt, diese Werte für 6G zu identifizieren. Analog zu den vier Ecken seines Lineals erläutert Björn Richerzhagen vier solcher Werte, die dabei aktuell im Fokus stehen.

6G soll zu mehr Nachhaltigkeit befähigen und vertrauenswürdig sein

Zum einen ist das die Nachhaltigkeit. In der Umsetzung geht es zum Beispiel darum, zu schauen, inwiefern Technologie upgradefähig ist. Altes soll schließlich nicht alle paar Jahre weggeworfen werden müssen. Außerdem soll das neue 6G auch andere befähigen, nachhaltiger zu werden und zum Beispiel helfen, in einer Smart City Verkehrswege zu sparen oder industrielle Prozesse zu optimieren.

Als zweiten wegweisenden Wert nennt Björn Richerzhagen die Vertrauenswürdigkeit. Darunter sei, über das “Security”-Konzept hinausgehend, vor allem das Thema Datenschutz zu verstehen: “Wie können wir 6G so gestalten, dass wir dem System vertrauen — als Nutzer, als Gesellschaft? Und diese Privatsphäre eben sicherstellen?”

6G soll mehr Menschen erreichen und sich flexibel an neue Anwendungsfälle anpassen können

Dritter Wert ist die Inklusivität, wobei zwei Aspekte gemeint sind. Zum einen soll 6G mehr Menschen erreichen, zum Beispiel mithilfe von Satelliten. Zum anderen meint Inklusivität auch das Einbinden neuer Human-Machine-Interfaces (HMIs) ins Kommunikationsnetz, zum Beispiel Augmented-Reality-Brillen oder Datenhandschuhe.

Flexibilität bezeichnet Björn Richerzhagen als vierten Wert und ist die letzte Ecke auf seinem Lineal. Ziel ist es, 6G so zu gestalten, dass es auf neue Anwendungsfälle vorbereitet ist und sich anpassen kann. Eng verknüpft damit ist das Thema Resilienz, welches ein besonderer Forschungsschwerpunkt im Bereich 6G an der TU Darmstadt ist, zum Beispiel im Rahmen des BMBF-Projektes Open6GHub. Im LOEWE Center emergenCity, darum, unsere Kommunikationsnetze auf unvorhergesehene Notfälle wie Stromausfälle, Naturkatastrophen oder Hackerangriffe vorzubereiten.

Geplant sei aktuell, dass im Jahr 2025 der Standardisierungsprozess von 6G beginnt und im Jahr 2030 die erste Version des neuen Standards herauskommt. “Bis wir dann Produkte sehen, wird es noch eine Weile dauern”, betont Björn Richerzhagen.

Beitragsbild: Christine Wachter