Internet und WM: Wenn die Nachbarn zu früh jubeln…

Was passiert, wenn tausende Menschen an einem Ort zusammenkommen, um gemeinsam Fußball zu schauen – auch „Public Viewing“ genannt? Genau, das mobile Internet wird bis an die Belastungsgrenze gebracht. Wieso denn das, denken sich jetzt viele, die gucken doch alle zusammen gespannt auf die Leinwand vorne. Aber das stimmt nur zum Teil. Mittlerweile sind viele Menschen nämlich erstmal damit beschäftigt, sich selbst und andere zu fotografieren oder zu filmen und diese Daten dann ins Netz zu stellen. Ein #Selfie nach dem erfolgreichen Auftaktspiel dient als neues Facebook-Profilbild, der Torjubel beim entscheidenderen Elfmeter wird aufgezeichnet und anschließend sofort auf YouTube geteilt und der leere Bierbecher, der nach dem knapp verlorenen Finale einsam an der Straßenecke liegt, wird auf Instagram melancholisch-künstlerisch in Szene gesetzt. Na, hat sich jemand wieder erkannt? ;) Facebook, Twitter, Instagram, Flickr, Youtube…mittlerweile gibt es eine kaum noch zu überschauende Anzahl an Services, die Nutzer dazu auffordern, multimediale Inhalte zu teilen. Dank HD-Kameras in den Smartphones sogar in entsprechend hoher Qualität. Und da die Angebote gut angenommen werden, kann so eine Gruppe feiernder Fans richtig große Datenmengen produzieren. Hinzu kommen private Nachrichtendienste wie What’s App, die quasi im Dauereinsatz sind – und wenn es nur dazu dient, die eigenen Freunde im Fanmeilen-Getümmel wiederzufinden.

Ein ähnliches Phänomen ist übrigens auf der Münchner „Wiesn“ zu beobachten. Da haben die Netzversorger mittlerweile reagiert und stellen Zusatzempfänger auf, die die überlastete Funkzelle entlasten sollen. Das ist aber eine umständliche und recht teure Lösung. Wir forschen deswegen an Konzepten, die Datenlast unter den Nutzern besser zu verteilen, damit zumindest die plötzlichen „Peaks“ wegfallen, die Überlastungen auslösen können. Ein modernes Smartphone verfügt ja über die Mobilfunkverbindung hinaus noch über weitere drahtlose Technologien, beispielsweise WLAN, Bluetooth oder NFC, die verwendet werden können, um Daten zu verbreiten. Das sind dann spontane „Adhoc“- oder P2P-Netze, die innerhalb der Menge erstellt werden, um Daten untereinander zu teilen. Google stellte kürzlich ein Konzept vor, das direkte Kommunikation zwischen „Freunden“ ermöglicht und so Latenz senkt und Bandbreite erhöht. Siehe dazu den letzten Bullet im Artikel: 

„Nearby könnte zudem praktisch sein, um einfaches Tethering zwischen Geräten zu ermöglichen – oder gar Mesh Networking.“ Sprich: Jedes Gerät verbindet sich automatisch mit anderen, sodass ein kleineres oder größeres Netz aufgebaut wird. Jedes Gerät fungiert dabei als Sender oder Empfänger. So kann die Reichweite von Internetverbindungen erweitert und dezentrale Kommunikation ermöglicht werden – etwa Messenger, die keine Internetverbindung benötigen.“
Androidnext über Google Nearby

Zu früh gefreut…

Mein Kollege Julius Rückert aus dem Peer-to-Peer Systems Engineering Lab beschäftigt sich übrigens mit einer ähnlichen Problemstellung. Wie verhindert man Datenstaus, wenn viele Menschen gleichzeitig auf einen bestimmten Inhalt im Netz zugreifen wollen – zum Beispiel Internet-TV beim WM-Finale? Wenn man beispielswiese das Superbowl-Finale in den USA zu Grund legt, gab es allein beim populären Sender FOXSports einen Peak von 1,1 Millionen Menschen, die gleichzeitig auf einen einzigen Livestream zugreifen wollten. Beim WM-Start hat es gleich mehrere populäre IP-TV-Angebote im Netz umgehauen, beispielhaft sei hier Magine erwähnt. Die schreiben auf Facebook:

Im Digitalisierungsbericht 2013 findet sich eine Grafik , die die steigenden Zugriffe auf Videoinhalte im Netz verdeutlicht. Die kritischen Faktoren für gutes Live-Streaming im Internet sind: Qualität der Übertragung (HD vs. SD), Konsistenz (keine Ruckler bitte!) und, gerade während der WM besonders wichtig, Latenz, also mit welcher Zeitverzögerung treffen die Daten beim Zuschauer ein. Wenn die zu groß sind, weiß man immer zwei Minuten im voraus, wann das nächste Tor fällt – weil die Nachbarn schon lange jubeln. Das habe ich leider schon schmerzlich am eigenen Leib erfahren dürfen: Bei der Fußball-Europameisterschaft 2008  war ich offenbar der einzige Digital-Gucker im Haus. Übrigens haben gerade heise.de und Giga sich den Spaß erlaubt, die aktuellen Anbieter mal auf ihre Latenzen zu prüfen und haben die Verzögerungen zum SAT-TV gemessen.

Warum ich das alles erzähle? Weil wir unter anderem daran arbeiten, gute Daten zur Netzauslastung während der WM zu gewinnen. Solche Großereignisse sind für uns natürlich enorm interessant. Und wenn alles klappt, greife ich das Thema hier wieder auf…

Bildquelle: Flickr, Dr. Motte