Neues aus dem KOM-LAB: Elektromyografie – Aktivitätspotenziale von Muskeln messen und auswerten

Gastbeitrag von Ferdinand Keil:
Ferdinand hat an der TU Darmstadt den Bachelor of Science in Wirtschaftsingenieurwesen Elektrotechnik absolviert und befindet sich nun im dritten Master-Semester in Information and Communication Engineering. Im Rahmen seines Studiums konzentriert er sich auf die Bereiche Entwurf integrierter Schaltungen und Kommunikationstechnik.

Im KOM- Lab Projektseminar haben Studenten die Möglichkeit, ein Semester lang ein Projekt umzusetzen, das sie zuvor gemeinsam mit einem Betreuer entworfen haben. Ich nahm mir folgendes vor: Mit Hilfe von Elektroden, einer selbstgebauten Hardware und einer maßgeschneiderten Software wollte ich die Aktivitätspotenziale von Muskeln messbar machen. Das nennt sich Elektromyografie und ist im medizinischen Bereich durchaus etabliert.

Was ist Elektromygrafie?
Bei der Durchführung eines EMGs wird die elektrische Aktivität im ruhenden Muskel (Spontan-Aktivität) und bei unterschiedlich stark willkürlich kontrahiertem Muskel (Muskel-Aktionspotentiale) gemessen. In der medizinischen Elektrodiagnostik lassen sich durch das EMG Aussagen über Krankheiten der Nerven- und Muskelzellen machen. In der Biomechanik werden die Zusammenhänge zwischen den Frequenzen oder den Amplituden der registrierten elektrischen Signale und der Kraft eines Muskels untersucht, um etwa die Bewegungen von Sportlern zu optimieren.
(Quelle: Wikipedia.de)

Im Vergleich zu bestehenden Lösungen sollte mein Ansatz präzisere Ergebnisse liefern, mobil verfügbar sein und das zu einem möglichst günstigen Preis. Doch wofür der ganze Aufwand?

Nun, in erster Linie handelte es sich um Grundlagenforschung, also die Frage: Funktioniert es oder nicht? Darüber hinaus gibt es aber zahlreiche Möglichkeiten, die gewonnen Daten sinnvoll zu verwerten. Am Fachgebiet Multimedia Kommunikation wird beispielsweise zum Thema „Serious Games“ geforscht, also zu digitalen Spielen, die neben reiner Unterhaltung auch einen praktischen Nutzen bieten. Solche Biosignale lassen sich sinnvoll in Serious Games integrieren, zum Beispiel in Bewegungsspiele, in denen der Körpereinsatz des Probanden mit dem EMG präzise gemessen werden kann.

Mobile Elektromyografie und präzise Messung

Über zwei Elektroden auf der Haut kann die elektrische Spannung an einem Muskel gemessen werden. Dabei wird nicht nur zwischen „angespannt“ und „entspannt“ unterschieden, sondern auch die Intensität der aufgewendeten Kraft kann relativ genau bestimmt werden. Die von mir im KOM LAB erarbeitete Lösung erreicht über USB bis zu 8.000 Messungen pro Sekunde. Die mobile Variante ist mit 250 Messungen pro Sekunde etwas langsamer – hier hat sich die Bluetooth Low Energy-Verbindung noch als Engpass herausgestellt. Aber auch mit 250 Messungen pro Sekunde hat man schon eine große Menge an Information, die man sinnvoll weiterverarbeiten kann.

Das Besondere an der neuen Plattform: Sie ist trotz hoher Messpräzision von bis zu 32.000 Messungen pro Sekunde relativ günstig zu bauen (rund 200€). Allerdings ist es auch „nur“ ein Gerät für die Forschung und nicht für medizinische Zwecke geeignet, damit verbundene Zusatzkosten fallen also weg.

Hard- und Software für das Elektromyografie-Experiment

Wir haben das System um einen relativ neuen Chip von Texas Instruments konstruiert, der speziell für Biopotenzialmessungen gebaut wurde. Er kann auf 8-Kanälen gleichzeitig messen, hat einen Analog-Digital-Wandler integriert sowie entsprechende Vorverstärker an Bord. Der zweite wichtige Teil war der Mikrocontroller – wir haben dafür einen ARM-Mikrocontroller verwendet, insbesondere wegen der bereits vorhandenen Bibliotheken. Zusätzlich haben wir noch ein Bluetooth-Low-Energy-Bluetooth Modul auf die Platine gelötet. So sieht die fertige Hardware dann aus:

Blue Tooth Low Energy Adapter

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Neben der Konzeption und Umsetzung der Hardware habe ich mich auch um die Softwareentwicklung für den Mikrocontroller und Android gekümmert. Die braucht es, um die Messungen der Hardware auch richtig aufzuzeichnen und zu interpretieren. Die Schnittstellen sind offen, so dass Daten am PC oder direkt in Echtzeit weiterverarbeitet werden können. Die Quellsoftware ist Open Source und hier vollständig einsehbar. Wer tiefer einsteigen möchte, findet hier meinen Abschlussbericht und meine Abschlusspräsentation.

Spaß gehabt und was dazu gelernt im KOM-Lab

Erste Gehversuche mit der Android-Programmierung, viel über Bluetooth-Low-Energy gelernt, eine eigene Hardware gebaut – allein dafür hat sich das Projektseminar gelohnt. Aber auch im Bereich Projektmanagement habe ich dazu gelernt: Gemeinsam mit meinem Betreuer Sandro Hardy habe ich einmal den kompletten Vorgang von Recherche über Projektskizze bis zur Live-Demo in der Abschlusspräsentation durchlaufen. Insgesamt ein sehr befriedigendes Ergebnis, das mich in meinem Vorhaben auch nach dem Studium erstmal in der Forschung zu bleiben, nur bestärkt.

Bildquelle: Flickr, Michigan Engineering