Digitalisierung in Unternehmen: Informelles Lernen für Beschäftigte

Im Projekt KOLA („Kompetenzorientiertes Lernen im Arbeitsprozess mit digitalen Medien“) untersuchen wir, wie Azubis, Ausbilder und Berufsschulen digitale Medien nutzen können, um besser zusammenzuarbeiten und dadurch effizienter zu lehren und zu lernen. Die Notwendigkeit digitale Lerntechnologien in den Arbeitsalltag zu integrieren, beschränkt sich aber nicht auf die Ausbildungszeit. Auch Büros in Unternehmen sind nicht mehr nur Arbeits-, sondern auch Lernort. Welche neuen Anforderungen das an Betriebe und Technologie stellt, wurde auf der Fachtagung eQualification umfassend diskutiert.

Veränderungen am Arbeitsmarkt

Wie sich der Arbeitsmarkt genau entwickeln wird, ist nicht bekannt. Eine häufige Annahme ist, dass Tätigkeiten mit einem hohen Routineanteil mittel- bis langfristig abgebaut und zunehmend von Maschinen und Computern übernommen werden. Laut einer Studie des Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) sind in Deutschland rund 12 Prozent der Beschäftigten, primär Jobs von Geringqualifizierten und geringverdienenden Beschäftigten, potenziell von diesen Automatisierungsprozessen betroffen.

Dr. Werner Eichhorst, Direktor für Arbeitsmarktpolitik in Europa im Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA), betonte in seinem Vortrag auf der eQualification, dass es sich dabei nicht zwingend nur um einfache Tätigkeiten in der Industrie handelt, sondern die Automatisierung auch Jobs im kaufmännischen Bereich ersetzen kann. Laut Eichhorst wird es daher zu einer Verlagerung von Tätigkeiten zwischen einzelnen Berufen kommen, sogenannten „interaktiven Tätigkeiten“. Dazu zählt er Berufe, die eine hohe Interaktion mit Menschen verlangen, also zum Beispiel in der Pflege oder in der Bildung, aber auch im Management und im kreativen Bereich.

Zunehmende Automatisierung hat Auswirkungen auf die Weiterbildungsbedarfe der Beschäftigten

Basierend auf dieser Feststellung wächst der Bedarf an Qualifizierung durch Weiterbildung, um den Beschäftigten, deren Tätigkeit von Maschine und Computer übernommen wird, auch in Zukunft eine sinnvolle Arbeit geben zu können.

Andere Arbeitsplätze wiederum sind zwar nicht unmittelbar durch die Digitalisierung bedroht, dafür ändert sich aber das Anforderungsprofil an die Beschäftigten. Aufgaben- und Tätigkeitsbereiche werden komplexer, verlangen mehr Fähigkeit zur Abstraktion und einen starken Fokus auf Problemlösungen. Selbstgesteuertes Handeln, kommunikative Kompetenzen und Fähigkeiten zur Selbstorganisation werden von den Beschäftigten erwartet.

Das klingt im ersten Moment anspruchsvoll, bietet aber für viele Beschäftigte auch die Chance, in Zukunft qualitativ hochwertigere und interessantere Tätigkeiten bei zunehmender Eigenverantwortung und Selbstentfaltung zu übernehmen. Christiane Flüter-Hoffmann, Wissenschaftlerin am Institut der deutschen Wirtschaft, zeigt in der Podiumsdiskussion im Rahmen der eQualification Parallelen zum Tätigkeitsbild der Sekretärin auf. Bestand deren Aufgabe vor 25 Jahren darin, Briefe nach Diktat zu schreiben, so erstellt die Büroassistentin heute zum Beispiel Auswertungen oder Präsentationen.

Neue Formen der Weiterbildung

Es führt kein Weg daran vorbei, dass sich die Aufgaben- und Kompetenzprofile vieler Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den nächsten Jahren verändern werden. Das gilt nicht nur für Berufseinsteiger, sondern auch für die Beschäftigten. Die betriebliche Weiterbildung ist hier besonders gefordert. Mitarbeiter müssen im Alltag lernen und sich arbeitsplatznah weiterbilden können. Der Abschlussbericht Industrie 4.0 fordert, dass Arbeitsunterstützung, Lernaufgaben sowie physisches Training in sinnvollen Intervallen und unter Berücksichtigung der Belastbarkeit der Beschäftigten in den Arbeitsalltag arbeitsplatznah integriert werden. Zudem bedarf es informeller Formen des Wissensaustauschs zwischen den Beschäftigten. Christiane Flüter-Hoffmann betont, dass die Bedeutung des Erfahrungswissens noch weiter steigen wird.

Unternehmen sollen neue Formen der Qualifizierung entwickeln, erproben und auch umsetzen. Digitalen Medien und Lernformen haben dabei eine große Bedeutung, denn sie ermöglichen individualisierte Zugänge zu Wissen. Daher braucht es neben lernförderlichen Bedingungen auch neue Lerntechnologien, beispielsweise aus dem Bereich Smart Learning.

Neben unserer anfangs erwähnten Kollaboration mit Azubis, Berufsschulen und Ausbildungsbetrieben im Rahmen von KOLA, entwickelten wir bereits im Vorgängerprojekt eine Lern-App für mobiles und informelles Lernen direkt am Arbeitsplatz. Beim Projekt MOLEM konnten Kfz-Servicearbeiter direkt in der Werkstatt neue Reparaturvorgänge für E-Autos lernen und sich via Crowdsourcing-Ansatz gegenseitig in einem Lernnetzwerk weiterhelfen.

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