20 Jahre Lernen mit dem WWW – ein Rück- und Ausblick

Vergangene Woche durfte ich Teilnehmer und zugleich Referent beim überaus spannenden Symposium 20 Jahre Lernen mit dem WWW sein. Aus Anlass des rund 20 jährigen Bestehens des WWW hatte Reinhard Keil nach Paderborn eingeladen, um zu diskutieren, wie das WWW das Lernen verändert hat.

Das Symposium begann mit einem tollen Vortrag von Professor Hermann Maurer von der TU Graz. Er berichtete, dass er schon vor dem WWW die Grundideen von Hypertext-Systemen  in seinen Systemen MUPID und HyperG entwickelt hatte und es damals bereits Lernanwendungen unter Nutzung dieser Technologien gab. Über MUPID, ein Bildschirmtextterminal, wurden Lernkurse zu verschiedenen Themen der Informatik angeboten. Herrmann Maurer berichtete als Zeitzeuge davon, unter welchen Bedingungen Tim Berners Lee vom CERN in die USA wechselte und welche Verhandlungen dazu führten, dass sich das amerikanisch geprägte WWW gegenüber europäischen Ansätzen durchsetzte bzw. wie europäische Ideen zu amerikanischen Erfolgsgeschichten wurden.

WWWConference95_LOGO

Logo der „Third international WWW conference Darmstadt“ aus dem Jahr 1995

Diesen Beitrag konnte dann Professor Ulrik Schroeder von der RWTH Aachen aufgreifen, der von mehreren Treffen mit Tim Berners Lee und anderen Herren der ersten Stunde auf den WWW Konferenzen berichten konnte. Er selbst hatte bereits auf der ersten WWW Konferenz einen eigenen Beitrag zum Lernen im WWW vorgestellt. Damals gab es rund 100 Webserver weltweit. Sein persönliches Highlight war wohl die 3. WWW Konferenz, die im April 1995 im Zentralgebäude der TU Darmstadt ausgerichtet wurde. Damals gab es an der TU Darmstadt noch kein Internet und es mussten erstmal mehrere Kilometer Kabel gezogen wurden. Die Übertragung der Vorträge aus Darmstadt über das MBone legte damals das gesamte Internet in Deutschland für rund eine Woche lahm. Heute ist das unvorstellbar.

Nach diesen beiden Vorträgen berichteten die Gastgeber. Dr. Harald Selke aus dem Team von Professor Keil stellte vor, wie sie mittels Hyper-G eigene Anwendungen zur Unterstützung der Präsenzlehre implementierten. Er erklärte unter anderem, dass es eine große Innovation war, Übungsblätter nicht bereits eine Woche vor der Ausgabe an Studierende in die Druckerei geben zu müssen. Eine andere tolle Anekdote: Damals wurden extra spezielle Möbel geschreinert, um die seinerzeit monströsen Monitore so versenken zu können, dass sie nicht die direkte Kommunikation zwischen den Studierenden behindern.

Professor Michael Kerres sprach zum Abschluss des Tages über seine Erfahrungen bei der Einrichtung der tele-akademie an der FH Furtwangen, für die er 1996-97 verantwortlich war, u.a. hatte er einen alten Fernsehbericht dabei. Die (überraschende) Erkenntnis: Die damals realisierten Funktionen unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht nur unwesentlich von den Funktionen, die in unsere aktuellen Lernplattformen integriert werden.

Damit war der erste Tag noch nicht zu Ende, denn es folgte noch das erfolgreiche WM Spiel Deutschland – USA. Ein Tag voller Höhepunkte also. Mir wurde vor allem klar, welche Faszination das WWW vor rund 20 Jahren auf die beteiligten Informatiker ausübte und wie schwierig es damals war Anwendungen und Funktionen zu realisieren, die von unseren Studierenden heute als selbstverständlich angesehen werden.

Der zweite Tag…

…begann mit einem Beitrag von Professor Gerhard Schneider, CIO der Universität Freiburg. Als Rechenzentrumsleiter konnte er von der Begeisterung berichten, die herrschte, als zwei Universitätsrechner in Deutschland (in Dortmund und in Freiburg) direkt ans amerikanische Internet angebunden wurden. Die Universitäten, mit wenigen Ausnahmen, hatten dann in den ersten Jahren eine 64kBit Anbindung. Nur einigen wenigen Hochschulen wurde eine 2Mbit Verbindung zugestanden. Warum? Weil diese Verbindung rund 200.000 DM im Jahr kostete.

In meinem eigenen Vortrag zu Lernanwendungen im mobilen WWW ging es eher um aktuelle Themen. Es gab zwar bereits 2001 erste Projekte zum mobilen Lernen im WWW auf Basis des WAP Protokolls, aber erst mit den Smartphones und der Bereitstellung breitbandigere mobiler Netzzugänge wurde mobiles Lernen wirklich relevant. Ich berichtete daher über unserer eigenen Forschungsarbeiten, die wir seit etwa 2010 in diesem Gebiet vorantreiben. Ein Schwerpunkt bildete die Vorstellung des Projektes MOLEM und unsere Arbeiten zu kontextualisiertem Lernen.

Lernanwendungen im mobilen Web – technische Herausforderungen und Lösungen, vielfältige Potenziale und Grenzen from Multimedia Communications Lab

Abgeschlossen wurde das Symposium durch Vorträge von Professor Christian Swertz zur semantischen Ordnung der Dinge im Web, von Felix Winkelnkemper zur räumlichen Strukturierung von Inhalten in Lernräumen und Professor Rolf Schulmeister, der  von enormen Veränderungen im Bereich MOOCs berichtete, die insbesondere die USA betreffen. Er konnte mit Sebastian Thrun darüber diskutieren, dass ein Wochenrhythmus, in der MOOCs bisher typischerweise angeboten werden, didaktisch nicht sinnvoll ist. Ein anderer Trend: Die Welt mit freien Lernressourcen zu beglücken, ist kaum noch die oberste Maxime der großen amerikanischen Anbieter. Vielmehr verkaufen Sie Ihre Inhalte jetzt als Weiterbildungsangebote.

Insgesamt war es eine gelungene Veranstaltung und ich danke Reinhard Keil für die Initiative und dass ich dazu beitragen durfte. Ich freue mich schon auf die noch folgende Publikation der vorgestellten Beiträge.